Erholung und Rehabilitation für pflegende Angehörige

Medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen können verhindern, dass pflegende Familienmitglieder selbst zum Pflegefall werden.

Wer ein pflegebedürftiges Familienmitglied versorgt, erbringt jeden Tag rund um die Uhr körperliche Höchstleistungen, bekommt zu wenig Schlaf und ist hohen seelischen Belastungen ausgesetzt. Pflegende Familienmitglieder – über 80 Prozent sind übrigens Frauen – neigen außerdem dazu,  ihre eigenen Bedürfnisse einzuschränken und ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie einmal nur an sich denken.

Pflegende Angehörige vernachlässigen deshalb auch zunehmend ihre soziale Bindungen, Hobbys und Freizeitbeschäftigungen, achten meist wenig auf ihre eigene Gesundheit und wollen eigene Beschwerden lange nicht wahrnehmen. Pflegewissenschaftler verwenden für diese – auch bei professionell Pflegenden häufig vorkommende – Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse den Begriff “Selbstpflegedefizit”.

Ein Defizit mit schwerwiegenden Folgen: Denn die meisten Betroffenen bezahlen für das tapfere Durchhalten mit ihrer Gesundheit: Schwere Erschöpfungszustände, depressive Verstimmungen, psychosomatische Erkrankungen, Angst, chronische Kopfschmerzen, chronisch degenerative oder entzündliche Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates und Stoffwechselerkrankungen sind häufig die Folge dieser Überforderung.

Mit so genannten Kuren lassen sich drohende Krankheiten und Behinderungen verhüten und Risikofaktoren mindern. Regenerierende und gesundheitsfördernde Maßnahmen sollen außerdem den Abbau der Kräfte verhindern. Der Begriff Kur wird allerdings heute so nicht mehr verwendet, man spricht von medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen.

So beantragen Sie stationäre Rehabilitation

In einem ausführlichen Gespräch mit Ihrem Hausarzt sollten Sie nicht nur über  körperliche Beschwerden sprechen, sondern auch Ihre Lebensumstände schildern. Werten Sie seelische Belastungen nicht als unbedeutende Nebensächlichkeit ab. Der Arzt empfiehlt eine Kur nämlich nicht nur nach der Schwere einer bereits bestehenden Erkrankung, er kann sie auch als Präventivmaßnahme anordnen, damit akute Gesundheitsrisiken nicht zu einer langfristigen Erkrankung führen. Seelische Belastungen gelten als erhebliches Gesundheitsrisiko. Machen Sie einen Selbst-Test, den Sie auf der Webseite der psychologischen Onlineberatung pflegen-und-leben.de finden

Gemeinsam mit Ihrem Hausarzt füllen Sie das Antragsformular aus, das Sie anschließend beim Kostenträger einreichen. Kostenträger ist zwar nicht automatisch die Krankenkasse, sie muss aber den Antrag entsprechend weiterleiten. Erhält die/der Antragsteller/in beispielsweise eine Rente, dann übernimmt die Kosten die Rentenversicherung.

Bei stationären Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen werden die Patienten ganztägig in einer Kurklinik behandelt und verpflegt. Sie sind grundsätzlich auf eine Dauer von drei Wochen ausgelegt und dürfen in der Regel alle vier Jahre wiederholt werden. Ambulante Vorsorgemaßnahmen haben ein Intervall von drei Jahren, und für  „medizinisch indizierte Ausnahmen“ wie etwa Rheuma ist eine frühere Wiederholung möglich.

Eine ambulante Vorsorge- oder Rehabilitationskur in anerkannten Kurorten (früher „Offene Badekur“) wird bei leichteren gesundheitlichen Störungen verordnet oder wenn bereits erste Risikofaktoren vorliegen. Sie wird nur in anerkannten Heilbädern durchgeführt. Der Kurort (rund 390 in Deutschland) ist im Einvernehmen mit dem Arzt weitgehend frei wählbar.

Die Kompaktkur hingegen sieht einen intensiveren Behandlungsablauf vor als die ambulante Vorsorgekur, wird aber nur für 30 bestimmte Krankheitsbilder (Indikationen) und nicht in allen Kurorten angeboten. Sie wurde gemeinsam von Kurorten und Krankenkassen entwickelt. Für diese beiden Kurformen werden jeweils nur die Arztkosten übernommen. Versicherte müssen 10 Prozent der Kosten für therapeutische Anwendungen tragen und 10 Euro pro Verordnung zahlen. Auch für Arznei und Verbandsmittel gilt die gesetzliche Zuzahlung. Für Unterbringung, Verpflegung, Kurtaxe und Fahrtkosten zahlen die Krankenkassen 13 Euro pro Tag, den Rest muss der Patient tragen.

Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen in wohnortnahen, auch teilstationären Einrichtungen bieten alle medizinischen und therapeutischen Leistungen der stationären Variante, lassen sich aber nur realisieren, wenn entsprechende Angebote auch tatsächlich in Wohnortnähe liegen. Auch hier wird eine tägliche Zuzahlung von 10 Euro fällig.

Sonderform: Rehabilitation für pflegende Angehörige

Spezielle Kuren für Pflegende bieten bislang nur wenige: Ein besonders Angebot macht die AOK-Klinik Schloßberg in Bad Liebenzell ihren Mitgliedern. Sie werden in Gruppen drei Wochen lang von Fachpersonal psychologisch betreut, nehmen teil an Angehörigenschulungen und Themengesprächskreisen (z.B. über Demenz), erlernen Techniken zur Entspannung und Stressbewältigung, verbessern durch Rückenschule und Wirbelsäulengymnastik ihre körperliche Konstitution. Sie können sogar einen Internetführerschein erwerben, damit es ihnen möglich ist, nachhaltig Kommunikation und soziale Kontakte aufrecht zu erhalten.

Ein ähnliches Programm für „Mütter mit pflegebedürftigen Angehörigen“ hat das Antonie-Nopitsch-Haus in Bad Bevensen (Niedersachsen) entwickelt. Das Therapiezentrum ist eine von 84 Kureinrichtungen des Müttergenesungswerks. Die  seit mittlerweile 60 Jahre bestehende Institution unterhält außerdem 1.400 Beratungsstellen in Deutschland und bietet eine telefonische Kurberatung.

Noch spezieller: Reha für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz

Ganz speziell für pflegende  Angehörige von Menschen mit Demenz gibt es ein Angebot im Alzheimer Therapiezentrum (ATZ). Der Chefarzt im ATZ Ratzeburg (Schleswig-Holstein), Synan Al-Hashimy (Foto links), lässt pflegenden Angehörigen die Wahl: „Sie entscheiden, ob sie die Behandlung hier allein durchführen möchte, oder ihren demenzkranken Angehörigen mitnehmen. Dann allerdings besteht die Möglichkeit, gemeinsame Therapien mit dem pflegenden Angehörigen durchzuführen. Der demenzbetroffene Angehörige wird auf Wunsch im benachbarten Pflegehaus als Gast aufgenommen und dort betreut und gefördert“. Der Leiter des Zentrums in Ratzeburg stellt aber immer wieder fest: „Der Erfahrung nach kommen die Patienten zu spät zu uns.“ Deshalb gilt es, rechtzeitig die typischen Symptome im Selbsttest erkennen (siehe oben).

Während eines dreiwöchigen Reha-Aufenthalts gibt es psycho-, ergo-, physio-, musik- und kunsttherapeutische Angebote. Schulungen zum Umgang mit Demenzkranken gehören ebenso ins Programm, wie Beratung und Unterstützung z.B. bei der Beantragung von Pflegestufen.

Ob man die Anforderungen für eine Rehabilitations erfüllen, das überprüft der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK).  Dafür wird die Krankenakte gelesen – seit 2008 lediglich stichprobenartig. Es können aber auch körperliche Untersuchungen angeordnet werden – Pflicht sind sie bei Verlängerungsanträgen.

Wer sich bisher gescheut hat, eine Reha zu beantragen, sollte sich nur einmal vorstellen: Wie wäre es, wenn ich körperlich oder seelisch gar nicht mehr in der Lage wäre, mich um meinen pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern? Nutzen Sie deshalb regenerierende und gesundheitsfördernden Maßnahmen ganz bewusst und kommen Sie gestärkt, gut erholt und mit neuem Mut zurück.

Foto: Alzheimer Therapiezentrum Ratzeburg