Buch über das Sterben in Zeiten der Hochleistungsmedizin

Wie wollen wir sterben?

Der Mediziner Michael de Ridder nennt sein Buch selbst „ein ärztliches Plädoyer für eine neue Sterbekultur“, weil seiner Meinung nach die moderne Medizin beängstigende und grausame Existenzweisen hervorgebracht habe, in die Menschen ohne sie nie geraten wären, weil sie zuvor eines natürlichen Todes gestorben wären.

Deshalb fordert er für Patienten mehr Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende. Trotzdem legt er unmissverständlich dar wie unerlässlich die moderne Medizintechnologie im Rahmen der Behandlung von Akutkrankheiten ist.

Nur deren „uferlose Ausweitung“ kritisiert der für sein gesundheitspolitisches Engagement 2009 ausgezeichnete Mediziner. Weil er immer wieder erleben muss, dass selbst betagte Patienten mit schwersten chronischen Erkrankungen „Wiederbelebungsmaßnahmen unterworfen werden, die praktisch nie erfolgreich enden“.Weil „Patienten mit Herzkreislaufstillstand, dessen Dauer die Wiederbelebungszeit des Gehirns von maximal acht Minuten überschritten hat, wiederbelebt werden“. Mit der Folge, dass diese oft in eine dauerhafte Bewusstlosigkeit (das sogenannte Wachkoma) fallen.

Michael de Ridder stellt deshalb die Frage, ob wir überleben wollen um jeden Preis oder ob wir selbstbestimmt sterben wollen. Weil die seit Jahren andauernde Debatte um das Sterben und die Not und Verzweiflung der Patienten und ihrer Angehörigen, um Beatmung, künstliche Ernährung, um Palliativmedizin und Sterbehilfe oft sehr emotional geführt wird, trägt de Ridder umfassend Fakten zusammen:

  • Wie definiert die Wissenschaft Herztod und Hirntod?
  • Was bedeutet „vegetativer Status“, der umgangssprachlich als Wachkoma bezeichnet wird und sich unterscheidet vom Koma oder vom Zustand minimalen Bewusstseins, dem sogenannten Locked-in-Syndrom?
  • Was kann das Schmerzmittel (z.B. Morphin) bewirken?
  • Wie müssten Mediziner im Bereich Palliativmedizin aus- und fortgebildet werden?
  • Wie wurde aus einer intensivmedizinischen Maßnahme im Laufe der Zeit eine therapeutische Ersatzhandlung bei pflegebedürftigen Demenzkranken ohne jeden nachgewiesenen Nutzen (künstliche Ernährung über eine PEG-Sonde)?

Mit Fallbeispielen belegt er eindringlich, warum viele Ärzte den Tod eines Patienten noch immer als persönliche Niederlage  wahrnehmen, statt in „aussichtlosen Situationen ein friedliches Sterben zu ermöglichen“.  Es sei ihm dabei aufgefallen, dass Angehörige von Schwerstkranken und Sterbenden das, was sinnvollerweise getan und was unterlassen werden sollte, sehr häufig viel sicherer und entschiedener beurteilt, als die Vertreter der Helferzunft – Ärzte, Krankenschwestern oder Altenpfleger. Sie müssten lernen, das Sterben ihrer Patienten „anzunehmen“

An uns alle richtet sich dagegen sein Appell, dass jeder einzelne sich mit der  Aufgabe auseinandersetzen sollte, über sein Lebensende zu entscheiden, also sein Recht auf Selbstbestimmung in Form einer Patientenverfügung wahrzunehmen.

Dieses Buch gibt einen wichtigen Anstoß, sich dem dringend notwendigen Dialog zu stellen: Für alle, die in der Pflege arbeiten ebenso wie für jeden von uns. Weil es dabei auch noch so geschrieben ist, dass auch Pflegelaien alles problemlos verstehen können, gibt es von uns fünf Sterne.

„Wie wollen wir sterben?“, Michael de Ridder, Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2010, ISBN: 978-3-421-04419-8, Preis: 19,95 Euro


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