Buch gegen die „Macht der Heimlobby“

Niemand muss ins Heim – ein Plädoyer für die häusliche Pflege

Nachdem Markus Breitscheidel undercover ein Jahr lang in Pflegeheimen recherchierte, deckte er 2005 mit seinem Buch „Abgezockt und totgepflegt“ skandalöse Zustände in den Einrichtungen auf. Nun schrieb er noch das Vorwort zum vorliegenden Buch „Niemand muss ins Heim“.

Bevor der Journalist Lixenfeld aufzeigt, warum eigentlich niemand ins Heim muss – er selbst versteht sein Buch als „Plädoyer für die häusliche Pflege“ – nutzt er die ersten zwei Drittel der insgesamt 284 Seiten, um die komplizierte Zusammenhängen zu entwirren, die bislang dafür sorgten, das alles immer so bleibt, wie es ist.

  • wie Pflege im Minutentakt in der ambulanten Pflege sowohl Pflegekräfte als auch Patienten unter enormen Druck setzt
  • wie die Trennung zwischen Kranken- und Pflegeversicherung für einen menschenverachtende Pflege sorgt
  • welche Verdienstmöglichkeiten der Zukunftsmarkt „Pflege“ Immobilienfonds und Einrichtungsbetreibern bietet
  • und wie erfolgreich die Pflege-Lobby, die weiter mit der stationären Pflege Geld verdienen will, die Entwicklung der Pflegereform mitgestaltet hat.

Sehr eindringlich behandelt er die Thematik rund um die Pflegekräfte aus Osteuropa und Deutschlands größten Pflegedienst, die Familie – beides in den jetzt bestehenden Formen keine befriedigenden Lösungen: Ohne die überwiegend illegalen und ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse mit Frauen aus osteuropäischen Ländern und ohne die aufopfernde Pflegearbeit von Familienangehörigen wäre Pflege in Deutschland inzwischen gar nicht mehr zu schaffen.

Endlich dann kommt das, worauf man 186 Seiten gewartet hat: Niemand muss in den nun sechs vorgestellten Projekten ins Heim. Dieses Kapitel wünschte man gerne sich etwas ausführlicher als nur 50 Seiten.

Im seinem Resümee warnt Lixenfeld vor dem betreutem Wohnen:  Wer die eigene Wohnung aufgäbe und sich an die Betreiber solcher Anlagen binde, dessen Lebensweg führe zwangsläufig in das möglicherweise vom gleichen Träger betriebene Pflegeheim nebenan. Dann fasst er alle zuvor bearbeiteten Themen zusammen und fordert, die stationäre Pflege in kommunale Hände zu geben, damit in den Heimen allein die Qualität der Pflege an erster Stelle stehe, nicht die Gewinnmaximierung.

Zum Schluss wirft der Autor einen neidvollen Blick nach Dänemark, wo seit 1987 kein konventionelles Heim mehr gebaut wurde, sondern Pflegewohnungen betrieben von Wohnungsbaugesellschaften und kontrolliert durch die Kommunen. Bleibt die Frage: Macht eine Kampfansage gegen Pflegeheime aus einem Buch automatisch ein Plädoyer für die häusliche Pflege? Ich glaube, eher nicht und deshalb gibt es


„Niemand muss ins Heim“, Christoph Lixenfeld, Econ/Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin, 2008, ISBN: 978-3-430-30034-8